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Haut in der Schwangerschaft – Experteninterview #1

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Aus aktuellem Anlass haben wir uns bei hautTATSACHEN die Frage gestellt, wie sich die Haut in der Schwangerschaft verändert. In der Schwangerschaft … ? Aus aktuellem Anlass … ? Ja, liebe Mitwisser. Im Frühjahr muss hier bei hautTATSACHEN irgendetwas in der Luft oder im Wasser gewesen sein: Denn 50 % des hT-Teams ist schwanger, bzw. hat gerade ganz frisch Nachwuchs bekommen. Wie es unser wandlungsfähiges Organ schafft, sich den besonderen Anforderungen anzupassen, welche Veränderungen auftreten können und wie Schwangere es sich und ihrer Haut in dieser besonderen Zeit gut gehen lassen können – dazu hat hautTATSACHEN die Biologin und Hebamme Dr. Claudia Plappert befragt, die unsere Fragen rund um das faltenglättende Östrogen, Schwangerschaftsstreifen, Pigmentveränderungen & Co. beantwortet und erklärt hat.

 

Hebamme Claudia Plappert gibt Tipps und Ratschläge für die Hautpflege in der Schwangerschaft
Hebamme und Biologin Dr. Claudia Plappert

Unsere Expertin: Dr. Claudia Plappert studierte Biologie an der Eberhardt-Karls-Universität Tübingen und war dort viele Jahre als Neurobiologin in Forschung und Lehre tätig. In dieser Zeit erfolgte auch ihre Promotion und Habilitation. Ihre Achtung und Begeisterung dafür, wie wunderbar der menschliche Körper ausgestattet ist, und wie fein abgestimmt die Vorgänge rund um Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit geregelt sind, ließen sie dann Hebamme werden. Dr. Claudia Plappert lebt in Calw-Stammheim, ist verheiratet und hat vier Kinder, die teilweise schon flügge sind.

 

Wie verändert sich die Haut in der Schwangerschaft?
10 Fragen – 10 Antworten!

hT #1: „Mit dem Beginn der Schwangerschaft hat man das Gefühl, dass im ganzen Körper so einiges auf den Kopf gestellt wird – wie wirkt sich die hormonelle Umstellung auf die Haut aus?“

Dr. Plappert: „Mit dem Beginn einer Schwangerschaft steigt die Östrogenkonzentration stark an. Es spielt in der Schwangerschaft eine besondere Rolle, denn Östrogen ist in erster Linie auch ein Wachstumshormon, das für die Entwicklung des Embryos sorgt. Zugleich werden auch das Wachstum und die Erneuerung der Hautzellen angeregt, so dass viele Frauen in der Schwangerschaft einen blühenden, strahlenden Teint haben. Kleine Unreinheiten oder Kratzer klingen ab und auch Fältchen verschwinden häufig, weil im Gewebe der durchbluteten Hautschicht (Dermis) vermehrt Wasser eingelagert und die Epidermis (oberste Hautschicht) dadurch „unterfüttert“ und geglättet wird.“

hT# 2: „Das klingt toll – dann ist Östrogen also ein richtiges Schönheitselexier?“

Dr. Plappert: „In den meisten Fällen ja und das hört man ja auch immer wieder, dass Frauen in der Schwangerschaft tolle Haut haben. Bei manchen Frauen kann die Hormonumstellung in der Schwangerschaft aber auch dazu führen, dass die Talgdrüsen zu einer vermehrten Fettproduktion angeregt werden und es zu einer verstärkten Verhornung der Haut kommt. Die Poren der Haut werden dadurch verstopft und es können sich darunter Entzündungen und dadurch Pickel bilden. Wenn dann statt glatter Haut plötzlich Akne aufblüht, ist man natürlich nicht besonders happy. In diesem Fall helfen konventionelle Aknemittel, die gegen die Verhornung helfen und das überschüssige Fett sanft entfernen. Man sollte sie aber mit Bedacht einsetzten.“

hT# 3: „Wieso mit Bedacht – muss man bei der Wahl des Aknemittels in der Schwangerschaft etwas Besonderes beachten?“

Dr. Plappert: „Da die Haut nicht nur eine Schutzhülle ist, sondern auch – was oft nicht bekannt ist – ein Immunorgan, kann sie in der Schwangerschaft anders als sonst reagieren. Das hängt damit zusammen, dass das Immunsystem in dieser Zeit besonders gefordert ist: Es muss ein immunologisch ganz eigenständiges Wesen im Körper tolerieren. Es gibt zwei Wege, wie das Immunsystem damit umgehen kann. Erstens: Überschießende Immunantworten gehen zurück und das Immunsystem wird besonders tolerant. Das ist übrigens der Fall, den man sehr häufig beobachten kann. Frauen die sonst unter Heuschnupfen oder anderen Allergien leiden, erleben dann einen Rückgang der Beschwerden während der Schwangerschaft.
Im zweiten Fall erfüllt das Immunsystem seine Aufgabe und toleriert das eigenständige Wesen, reagiert aber dafür auf alles andere empfindlicher und aggressiver. Deshalb kann es sein, dass manche Schwangere eine reizempfindliche Haut haben und auf Produkte mit Ausschlag, Jucken oder Rötungen reagieren, die sie bis dahin problemlos vertragen haben. Das Gute ist aber: Diese allergischen Reaktionen beschränken sich auf die Zeit der Schwangerschaft. Wenn man weiß, dass diese erhöhte Hautempfindlichkeit vorbei geht, lässt es sich sicherlich besser damit umgehen.“

hT # 4: „Da gereizte Haut oft auch barrieregestört ist, ist es aus unserer Sicht wichtig, mit einer verträglichen Pflege die Haut mit Feuchtigkeit und Lipiden zu versorgen. Dadurch nimmt man das Spannungsgefühl und die Schutzfunktion der Haut bleibt erhalten.
Doch noch mal zurück zum Östrogen: Solange die verstärkte Wassereinlagerung im Gewebe Fältchen unterfüttert und glättet, ist es ja ein positiver, angenehmer Effekt. Was aber, wenn die Wassereinlagerungen das Gesicht sehr rundlich oder aufgedunsen wirken lassen?“

Dr. Plappert: „In diesem Fall sollte man nicht an Wasser sparen. Denn zwei bis drei Liter pro Tag sind auf jeden Fall gut. Auch sollte man nicht auf irgendwelche salzlosen Reisdiäten umsteigen oder Salz gänzlich weglassen. Denn das führt dazu, dass der Salzgehalt im Gewebe höher ist, als der Salzgehalt im Blut, wodurch die Flüssigkeit durch den osmotischen Druck noch mehr ins Gewebe gelangt.
Was in diesem Fall hilft, ist ein Bad mit Salz aus dem Toten Meer, weil es ebenfalls durch den osmotischen Effekt leicht entwässert. Wichtig ist es, dass die Wassertemperatur nicht zu hoch ist. Gut sind ca. 37 – 38 °C, aber nicht höher.Bad mit Meersalz in der Schwangerschaft
Es kann auch helfen, Brennessel- oder Grüner-Hafertee zu trinken. Allerdings sollte man es hier nicht übertreiben und nicht mehr als zwei bis drei Tassen pro Tag trinken. Auch mit Akupunktur und homöopathischen Mittel (z.B. Apis mellifica) lassen sich Wassereinlagerungen reduzieren.
Schwimmen ist auch eine gute Maßnahme, da Einlagerungen (Ödeme) durch den hydrostatischen Druck des Wassers (auch „Schweredruck“) leicht zurückgehen. Dies hilft oft auch Schwangeren, die unter dem Karpaltunnelsyndrom leiden, wenn also das Bindegewebe auf den Medianus-Nerv des Handgelenks drückt und sich dadurch Schmerzen oder Taubheitsgefühle einstellen.“

hT # 5: „Schwangere haben oft auch das Gefühl, stärker zu Schwitzen. Woher kommt das und kann man etwas dagegen tun?“

Dr. Plappert: „Insgesamt arbeitet der Stoffwechsel während der Schwangerschaft auf Hochtouren und das Blutvolumen nimmt zu. Die Blutgefäße sind also gut gefüllt und es wird mehr Wärme transportiert. Prinzipiell ist Schwitzen aber etwas Gutes und Wichtiges, weil es uns vor Überhitzung schützt. Deshalb ist vielleicht eher die gesellschaftliche Entwicklung kritisch zu betrachten, die Schwitzen nicht mehr toleriert.
Aus Sicht der Hebamme sehe ich beim Schwitzen eher die Gefahr, dass man sich erkältet, etwa wenn man bei Nacht so richtig pitschnass geschwitzt ist, wie es durch die Hormonumstellung schon mal vorkommen kann.
Gegen ein unangenehmes Hitzegefühl oder Hitzewallungen helfen kühlende Umschläge mit verdünntem Obstessig. Trinken – zum Beispiel Pfefferminztee – hilft natürlich auch. Dies gilt für die Schwangerschaft. In der Stillzeit sollte man keinen Pfefferminztee trinken, weil er die Milchbildung bremst.“

hT # 6: „Als Schwangere liest man immer wieder die Empfehlung, auf Sonnenbäder und Solariumbesuche zu verzichten. Warum wird davon abgeraten?“

Dr. Plappert: „Durch das Östrogen werden die pigmentbildenden Zellen, die sogenannten Menalozyten in der Haut größer und auch aktiver. Besonders gut beobachten kann man diese Veränderung überall dort, wo die Haut besonders fein und dünn ist, wie zum Beispiel, im Schambereich, den Achselhöhlen oder im Bereich der Brustwarzen. Es gibt die Theorie, dass die dunkler gefärbten Brustwarzen für das Baby besser sichtbar sind. Wobei sich Säuglinge eher über den Geruch orientieren. Es gibt auch die Überlegung, dass die Brustwarzen dadurch aufs Stillen gut vorbereitet sind und etwas unempfindlicher werden.
Auch unterhalb des Bauchnabels wird meist ab dem zweiten Drittel der Schwangerschaft ein etwas dunklerer Streifen (Linea nigra oder auch Linea fusca) sichtbar, weil hier die Linea alba, eine senkrechte Bindegewebsnaht verläuft, die durch die Vereinigung der Sehnenplatten der seitlichen Bauchmuskulatur entsteht. All diese Pigmentverfärbungen bilden sich in der Regel nach ca. drei bis vier Monaten wieder zurück.
Sonnenschutz in der SchwangerschaftAnders verhält es sich mit Pigmentveränderungen im Gesicht – sogenannten „Melasma“ oder „Chloasma“. Denn mitunter baut sich das Melanin nicht so gut ab und entsprechend bleiben die Pigmentflecken erhalten. Deshalb empfehle ich Schwangeren, direkte Sonneneinstrahlung zu meiden oder sich mit Sonnencreme und Sonnenhut ausreichend zu schützen. Dasselbe gilt natürlich für Sonnenstudiobesuche, auf die man während der Schwangerschaft besser verzichten sollte.“

 

 

hT# 7: „Wenn wir schon bei den typischen Schwangerschafts-Hautveränderungen sind: Wie ist das mit den Schwangerschaftsstreifen – kann man sie durch vorbeugendes Einölen oder Zupfmassagen vermeiden?“

Dr. Plappert: „Natürlich kann man die Haut durch sanfte Massagen und leichtes Zupfen etwas geschmeidiger machen. Doch vermeiden lassen sich Schwangerschaftsstreifen dadurch nicht, da es eher Veranlagungssache ist, ob man sie bekommt oder nicht. Das kann man bedauern. Es kann einem aber auch den Druck nehmen. Denn viele Frauen denken, dass die Dehnungsstreifen vermeidbar gewesen wären, wenn sie ihre Haut nur intensiver gepflegt hätten. Da es aber nicht so ist, muss man sich definitiv keine Vorwürfe machen. Wenn im Bauchbereich übrigens mit zu viel Druck gezupft und massiert wird, kann das auch vorzeitige Wehen auslösen, weshalb man auch hier nicht übertreiben sollte.
Was die Streifen betrifft: Die verblassen mit der Zeit ja auch und was bleibt sind Marken am Körper, die einen an diese besondere Lebensphase erinnern.“

hT # 8: „Gibt es bestimmte Kosmetikprodukte, die man während der Schwangerschaft nicht verwenden darf? Ich denke da insbesondere an Nagellack, Nagellackentferner oder Haarfärbemittel?“

Dr. Plappert: „Als Kosmetikhersteller kennen Sie ja die Schwierigkeit, dass es eher kompliziert ist, etwas in die Haut hineinzutransportieren. Denn die Haut ist schon ein ziemlich guter Schutz, der vieles abschirmt. Aber es gibt natürlich aggressive Stoffe, wie etwa bestimmte ölbasierte Farben oder Lösungsmittel, die man in der Schwangerschaft besser meiden sollte. Vom Haarefärben weiß man, dass Substanzen in den Körper gelangen, d.h. sie konnten im Blut nachgewiesen werden. Bisher noch nicht eindeutig geklärt ist, ob sie tatsächlich beim Fötus ankommen. Friseure empfehlen in diesem Fall ganz gern Haubensträhnchen, weil so die Farbe nicht direkt mit der Kopfhaut in Berührung kommt.“

hT # 9: „Und apropos Haare: Stimmt es, dass es nach dem Ende der Schwangerschaft vermehrt zu Haarausfall kommt?“

Dr. Plappert: „Üblicher Weise verliert man ca. 80 Haare pro Tag. Während der Schwangerschaft wird das weniger, so dass viele Frauen in der Schwangerschaft volleres Haar haben. Nach der Schwangerschaft holt das der Körper aber nach und die Haare gehen verstärkt aus. Natürlich wachsen sie auch wieder, aber sie sind nicht gleich wieder lang, so dass die Haare tatsächlich dünner oder manche Stellen etwas kahler wirken können. Einige Frauen gehen dann einfach zu einer Kurzhaarfrisur über. Mit einem „Mangel“, etwa durch die Schwangerschaft oder das Stillen, hat das aber nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen hormonell gesteuerten Prozess.“

hT # 10: „Noch eine letzte Frage in eigener Sache: Seit Ende des siebten Monats juckt meine Haut im Bauchbereich immer mal wieder. Kann das von der Hautdehnung kommen?“

Dr. Plappert: „Ja klar, denn Babys wachsen in Schüben und entsprechend muss sich die Haut anpassen. Hautcremes oder Öle, die Sie angenehm finden und gut vertragen, können das Spannungsgefühl der Haut lindern. Aber auch Umschläge mit verdünntem Obstessig helfen gegen den Juckreiz.
Wenn der Juckreiz extrem und anhaltend ist, sollte man die Sache abklären lassen, denn diese Art des Juckens könnte ein Hinweis auf eine Gallenstauung, eine sogenannte Schwangerschaftscholestase, sein. In diesem Fall werden die Leberwerte untersucht, denn es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Gallenstauung dem Kind oder der Mutter schadet, aber abklären sollte man es schon und so ein heftiger Juckreiz – besonders bei Nacht – kann natürlich echt unangenehm werden.“

 

Haut und Schwangerschaft

hT: „Vielen Dank für die verständlichen Erklärungen und die prima Tipps – jetzt sind wir bei hautTATSACHEN bestens für den Babyboom gewappnet!“

Dr. Plappert: „Sehr gern, es hat mir auch Spaß gemacht, mich mit diesem Thema zu beschäftigen! – Und alles Gute für alle hautTATSACHEN-Mütter und ihre Babys!“

 

 

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