Wie ihr bestimmt schon mitbekommen habt, ist die Diskussion um die Konservierung in Kosmetik und deren Verträglichkeit riesig! Da wir zur Zeit ja neue Produkte entwickeln, darunter Gesichtscremes und Körperlotionen für verschiedene Hauttypen (auch für sehr empfindliche Haut), wollten wir euch einen Einblick geben, wie wir bei der Auswahl von Inhaltsstoffen mit der Problematik “Verträglichkeit” vorgehen. Heute am Beispiel von Konservierungsstoffen.
Warum überhaupt konservieren? Frischer ist doch immer besser!
Frisch ist immer gut. Aber wie frisch ist auch praktikabel? Kannst du dir vorstellen, morgens aufzustehen, um dann noch ganz frisch deine morgendliche Gesichtscreme anzurühren (mit abmessen, zerkleinern, verrühren)? Für mich unvorstellbar, besonders wenn die Inhaltsstoffe auch noch komplett frisch sein sollen (wo bekommt man um 6:00 Uhr morgens gerade frisch hergestellte Shea Butter?). Ich glaube, du versteht worauf ich hinaus möchte. Selbst wenn man seine Kosmetik ganz frisch und selber zubereitet, muss man diese irgendwie konservieren, damit sie auch nach 3 Tagen noch verwendbar ist. Wenn man kein Selbstrührer ist, dann kauft man normalerweise von der Firma seines Vertrauens Kosmetik. Der Hersteller muss dann ein Produkt herstellen, das noch verwendbar ist und auch nicht nach 3 Tagen in deinem Badezimmer schlecht wird. Ohne Konservierung geht das nicht. Wasser ist die Basis des Lebens und deswegen müssen wässrige Kosmetikemulsionen konserviert werden.1 Besonders bei der Naturkosmetik ist die Konservierung wichtig! Wieso? Pflanzliche, also organische Rohstoffe werden aus einem natürlichen Kreislauf gewonnen und stellen damit auch einen Nährboden für Bakterien, Pilze und Hefen dar.2 Es wäre von Kosmetikherstellern unverantwortlich, ein Produkt zu verkaufen, in dem erhöhte Keimzahlen vorkommen. Keime können toxisch wirkende Abbauprodukte produzieren, die in die natürlichen Hautprozesse eingreifen und damit zu Irritationen und Unreinheinten führen können.3 Im schlimmsten Fall vielleicht sogar zu Hauterkrankungen.3
Nun denkst du vielleicht: “Aber es gibt doch genügend Produkte auf denen steht: ohne Konservierungsstoffe!” Nur weil draufsteht, dass es “ohne Konservierungsstoffe” ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es konservierungsfrei ist. Marmeladen werden durch Zucker konserviert. Würdest du Zucker als Konservierungsstoff kategorisieren? Manche Öle haben von sich aus antimikrobielle Eigenschaften. Gefrorene Produkte werden durch die Kälte konserviert. Trockene Produkte bieten Keimen keine Grundlage zu wachsen, sind also konserviert, indem sie kein Wasser enthalten.
Die Frage sollte also nicht sein: Sollte man konservieren, sondern: Wie konserviert man?
Reizfreie Konservierung: Mythos oder machbar?
Es gibt verschiedene Anforderungen an die Konservierung von Kosmetik. Von industriell hergestellter Kosmetik wird erwartet, dass sie bis zu 30 Monate haltbar ist, damit sie auch z. B. beim Ladenhändler oder einem Zwischenlager eine Weile stehen kann.4 Weiterhin gibt es gesetzliche Regelungen (Kosmetikverordnung), die die erlaubten Maximalkonzentriationen von verschiedenen Konservierungsstoffen festlegen.4 Im Moment sind in dieser Verordnung 57 verschiedene Konservierungsstoffe gelistet. Da in dieser Liste auch Formaldehyd auftaucht, ist die Frage nach verträglicher, also reizfreier Konservierung berechtigt.5
Jeder Inhaltsstoff kann ein Reizpotential haben. Bei Konservierungsstoffen wird diese Annahme noch verstärkt, da der Stoff die Aufgabe hat, das Wachstum von Bakterien, Hefen und Pilzen zu hemmen oder diese sogar zu töten. Also ein in sich “aggresiverer” Stoff. Bedeutet das, dass jedes Konservierungsmittel als “reizend” eingestuft werden sollte? Wir glauben nicht, denn es gibt ja auch Menschen, die z.B. auf Soja, Rapsöl oder Erdbeeren reagieren. Das heißt nicht, dass Erdbeeren, Soja oder Rapsöl allgemein als “unverträglich” eingestuft werden sollten. Nein, bei einem Konservierungsmittel ist die zu beantwortende Frage eher: Welcher Konservierungsstoff hat das geringste Reizpotential?
Bei hautTATSACHEN ist uns die Verträglichkeit wirklich wichtig. Deswegen haben wir auch unsere Verträglichkeitsgarantie eingeführt. Als wir in die Entwicklung der Gesichtscreme für “trockene und empfindliche” Haut gestartet sind, haben wir uns das Feedback von einigigen zu Herzen genommen, dass sie für empfindliche Haut lieber kein Ethanol, also Alkohol in der Hautpflege hätten. Bei diesem Feedback war bestimmt auch ein Faktor, dass Alkohol ab bestimmten Konzentrationen austrocknend wirkt (was natürlich für trockene und sensible Hautmenschen von besonderer Bedeutung ist). Obwohl unvergällter Alkohol ein geringes Reizpotential hat und bei niedrigen Einsatzkonzentration (bei uns <5%) die Haut nicht austrocken sollte 8, möchten wir guten Gewissens sagen können: Wir haben uns für eine Konservierungslösung entschieden, die unserer Erfahrung und Expertise nach, für den entsprechenden Hauttyp die verträglichste ist. Somit haben wir uns auf den Weg gemacht, folgende Frage zu beantworten: Welcher Konservierungsstoff hat für trockene und sensible Haut das geringste Reizpotential?
Welche Arten der Konservierung gibt es?
Da es extrem viele Arten und Weisen gibt, ein Kosmetikprodukt zu konservieren, haben wir hier eine kleine Einteilung vorgenommen:
- Chemische Konservierung: Dies sind Inhaltsstoffe, die chemisch hergestellt werden und nicht aus natürlichen Quellen gewonnen werden.
- Natürliche Konservierung: Dies sind Inhaltsstoffe, die von Natur aus konservierend wirken und auch natürlich gewonnen werden können. Z. B. Alkohol.
- Mechanische Konservierung: In der Kosmetik gibt es verschiedene Spenderarten. Manche erlauben mehr Kontakt mit dem Kosmetikprodukt als andere. Je weniger Kontakt zwischen dem Produkt und der Luft, Hand, etc. zugelassen wird, desto mehr unterstützt der Spender die Konservierung.
Unsere Suche beginnt…
Bevor wir mit der Suche nach einem Konservierungsstoff mit geringst-möglichen Reizpotential anfingen, galt es noch, ein paar andere Kriterien festzulegen. Denn die Verträglichkeit ist nur eine von unseren hautTATSACHEN-Anforderung.
Der Konservierungsstoff muss folgende Kriterien erfüllen:
- 100% natürlichen Ursprungs
- vegan
- darf die Eigenschaften der Emulsion nicht negativ verändern (z. B. ph-Wert, Einziehverhalten, Wirkung, Geruch, etc.)
- BDIH-COSMOS-Naturkosmetik-konform sein
Durch das “100% natürlich”-Kriterium waren schon mal alle chemischen Stoffe ausgeschlossen. Das ist auch gut so, denn viele chemischen Stoffe, wie Parabene z. B. stehen unter Verdacht hormonell wirksam zu sein.6 Auch halogenorganische Substanzen haben ein starkes Reizpotential und sind zudem gesetzlich stark reguliert.6 Dadurch, dass wir nicht wollten, dass der pH-Wert unserer Creme (6 bis 6,8 und damit fast neutral) verändert wird, waren auch viele organische Säuren schon mal raus. Organische Säuren wie z. B. Anissäure oder Sorbinsäure wirken nur bei Kosmetikprodukten mit einem pH-Wert unter 5,5.7 Selbst, wenn der ph-Wert in Ordnung gewesen wäre, gibt es leider Hinweise auf Verträglichkeitsprobleme bei organischen Säuren.6 Somit war also auch jegliche Fruchtsäure raus. :(
Als wir einen Magnolienextrakt gefunden hatten, der pH-unabhängig und stark gegen Hefen und Pilze wirkt, waren wir ganz aufgeregt. Ein natürlicher, veganer, COSMOS-konformer Konservierungsstoff, der die Eigenschaften der Creme nicht verändert! Dann müssten wir nur noch einen Stoff finden, der gegen Bakterien wirkt. Leider gibt es nicht viele Konservierungsstoffe, die gegen alle drei Arten von Mikroorganismen – Bakterien, Hefen und Pilze – schützen. Aber der Magnolienextrakt war schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung … bis wir ihn auf seine Verträglichkeit hin geprüft haben. Wir benutzen die PUBMED-Datenbank, um zu recherieren, welche wissenschaftlich fundierten Publikationen es z. B. zu einem Inhaltsstoff gibt. Leider waren bei dem Magnolienextrakt einige Publikationen, die ihn schon bei niedrigen Konzentrationen in Zusammenhang mit Kontaktallergien gebracht haben. Wir haben ihn deswegen ausgeschlossen, da der Extrakt auch noch nicht besonders lange in kosmetischen Cremes eingesetzt wird und somit auch noch keine Langzeiterfahrungen bestehen. Wieder ein Rückschlag für unsere Entwicklung. Aber die Suche ging weiter…
Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, mit ätherischen Ölen zur Konservierung beizutragen.9 Ätherische Öle müssen nicht als Konservierungsstoffe deklariert werden, da sie noch eine andere Funktion erfüllen (Duftstoff). So könnte man rein rechtlich gesehen behaupten, dass die Emulsion keine Konservierungsstoffe enthält. Chemisch gesehen sind sie aber sehr wohl Konservierungsmittel.10 So etwas entspricht nicht dem hautTATSACHEN-Transparenzversprechen. Außerdem sind ätherische Öle bekannt dafür, Unverträglichkeiten auszulösen.11
Dann waren da noch die Diole und Glykole – beides organische Verbindungen, die unter die zweiwertigen Alkohole fallen (nicht zu verwechseln mit dem “normalem” Alkohol/Ethanol, den wir aus Getränken kennen).12 Ihr Vorteil: Sie sind unabhängig vom pH-Wert wirksam.7 Viele von diesen werden aber synthetisch hergestellt. Also auch raus. Pentylene Glykol kann auch aus Zuckerbagasse und Maiskolben gewonnen werden, aber er wäre nicht ausreichend wirksam gegen Hefen und Pilze.7 Noch ein Rückschlag …
Wir sind noch nicht am Ende unserer Reise angelangt und haben auch noch ein paar Kandidaten, die wir uns genauer anschauen wollen, aber wie ihr bestimmt schon gemerkt habt, ist solch eine Suche gar nicht so einfach. Aber wir geben nicht auf!
Wir glauben noch immer an ein Konservierungsstoff mit möglichst geringem Reizpotential, der nicht unvergällter Alkohol heißt. Hoffentlich werden wir fündig.
1 Bellersen Quirini, C. Naturkosmetik einfach selbst gemacht. Ulmer KG (2012)
2 Dr. Kraus, C. Natürlich Schön. Michael Fischer (2015)
3 Käser, H. NAturkosmetische Rohstoffe. freya (2010)
4 Knieriemen, H. Kosmetik-Inhaltsstoffe von A bis Z. AT Verlag (2014)
6 Stiens, R. Die Wahrheit über Kosmetik. RS Media (2013)
10 Olio Natura: Konservierungsfrei
11 Schweizerische Bundesamt für Gesundheit
Beitragsbild: Chemie-Lehrerfort037” (CC BY 2.0) by ChemieBW
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann bleib doch auf dem Laufendem, indem du dich zu unserem Newsletter anmeldest (erscheint 1x im Monat):
The post Reizfreie Konservierung: Mythos oder machbar? appeared first on hautTATSACHEN.