Titandioxid ist ein Inhaltsstoff, den mancher vielleicht schon aus der Welt des Sonnenschutzes kennt. Wir haben auch schon mal darüber berichtet (ungeahnte Folgen von Sonnencreme im Meer). Nun erreichte uns Anfang des Jahres eine E-Mail von Christine. Sie wollte sich über Titanoxid in Kosmetik informieren und musste feststellen: es gibt nicht so richtig viele Infos. Deswegen fragte sie, ob wir vielleicht weiter helfen können. Wir kamen dieser Anfrage natürlich sehr gerne nach und haben uns auf die Suche nach Antworten gemacht. Dabei kam ein eher unsicheres Ergebnis heraus. Aber erst mal eine Frage nach der anderen:
Was ist Titandioxid?
Titandioxid ist ein wasserunlösliches, weißes Pigment mineralischen Ursprungs.1 Es wird als Farbstoff in Kosmetik, Lebensmitteln, Medikamenten und Haarfärbemitteln eingesetzt. In Sonnencremes wird es als Lichtschutzfilter verwendet.2 Besonders in Naturkosmetik-Sonnenschutzcremes wird es als Lichtschutzfilter eingesetzt, da es mineralischen Ursprungs ist und somit nicht chemisch.
Woran erkenne ich Titandioxid?
CI 77891 – In Kosmetik wird es meist als abdeckendes Pigment verwendet und wird deswegen mit einer Colour-Index-Nummer angegeben.
Titanium Dioxide – Wenn der Hauptzweck von Titandioxid Sonnenschutz ist, wird in der Inhaltsstoffliste (INCI) das Wort ausgeschrieben. 3
E 171 – In Lebensmitteln wird es auch als Farbpigment verwendet. Bei Lebensmitteln werden Farbpigmente aber mit E-Nummern angegeben.
Ist Titandioxid sicher?
Diese Frage hatten wir uns schon im Sommer gestellt. Doch damals lag der Fokus auf den Konsequenzen für die Umwelt (siehe Beitrag). Nun wollen wir diese Frage in Zusammenhang mit der menschlichen Gesundheit beantworten. Um dies zu tun, müssen wir uns erst anschauen, in welchen Arten und Weisen Titandioxid in unseren Körper aufgenommen werden kann. Prinzipiell können Stoffe im Alltag entweder durch Atmen, Essen oder durch die Haut aufgenommen werden.
Aufnahmeart: Haut
Unsere Haut ist eine Schutzbarriere. Sie schützt uns, indem sie äußere Partikel (z.B. Bakterien) hindert, in unseren Körper einzudringen. Als erstes muss man sich also anschauen, ob Titandioxid in Kosmetik, die auf die Haut aufgetragen wird (z.B. Sonnencreme, Lidschatten, Rouge, etc.) die Hautbarriere überhaupt durchdringt. Herr Knieriemen, der Autor von “Kosmetik-Inhaltsstoffe von A bis Z: Der kritische Ratgeber” schreibt, dass Titanoxid keine Verbindung mit der Haut eingeht, im Gegensatz zu anderen chemischen Lichtschutzfiltern.4 Auch das Informationsportal SafeCosmetics.org (ein Projekt des Breast Cancer Fund) stellt fest, dass es keine Beweise für Gesundheitsbedenken bei dem Auftragen auf die Haut gibt.5 Das Australische Ministerium für Gesundheit argumentiert, dass die Aufnahmemöglichkeit von Titandioxid sehr gering ist, da es wasserunlöslich ist. Weiterhin gibt es keine bekannten Informationen, die darauf hinweisen, dass Titandioxid (selbst in hohen Konzentrationen, z.B. in Sonnencreme) Hautirritationen auslöst.6
Wie ihr seht haben wir einige Quellen durchforstet und Titandioxid scheint beim Auftragen auf die Haut unbedenklich zu sein. Es ist auch kein Allergen.2 Außerdem ist es ein sehr effektiver Sonnenschutzfilter und im Gegensatz zu chemischen auch einer der sichersten.5
Aber was ist mit Titandioxid als Nanomaterial?
Ja, ja. Das Nanotechnologie-Thema. Da Titandioxid ein weißes, abdeckendes Pigment ist, ist es in Sonnencreme etwas schwierig zu verteilen und es passiert, dass ein weißer Film auf der Haut bleibt. Aus Verbrauchersicht nicht ganz optimal. Wer will schon im Strandurlaub mit weißen Flecken auf der Haut sonnenbaden? Titandioxid wird aber transparent, wenn es in Nanogröße verarbeitet wird.7 Damit wäre das Fleckenproblem gelöst. Aber wie sieht es bei der Größe dieser Nanopartikel mit der Penetration aus? Es gibt Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass auch die Nanopartikel die Haut nicht durchdringen.3 Hier sollte aber angemerkt werden, dass das SCCS (Scientific Committee on Consumer Safety | EU Kommision) zwar in seiner Schlussfolgerung Titandioxid in Nanoform als sicher bewertet hat, doch macht es mehrmals darauf aufmerksam, dass die allgemeine Datenlage zu Nanomaterialien lückenhaft und unvollständig ist.8 Die allgemein spärliche Datenlage zu Nanomaterialien (nicht nur Titandioxid) wird auch vom BUND kritisiert. Dieser erkennt zwar auch an, dass Nanopartikel die Haut anscheinend nicht penetrieren, doch beklagt der BUND, dass dies für beschädigte Haut noch nicht geklärt sei.9 Solltet ihr Nanotechnologie skeptisch gegenüber stehen, könnt ihr diese aber vermeiden, denn die EU-Kosmetik-Verordnung schreibt vor, dass Nanomaterialien als solche gekennzeichnet werden müssen.10 (Beispiel: Ingredients: Titanium Dioxide (nano)).
Aufnahmeart: Atemwege
Im Gegensatz zum Auftragen von Produkten, die Titandioxid enthalten (in Nanoform oder nicht), scheint sich die wissenschaftliche Gemeinde relativ einig zu sein, was das Inhalieren von Titandioxid angeht. Und zwar: VERMEIDEN!!! Die gleiche Publikation des SCSS, die Titandioxid als Nanomaterial in Sonnencremes bei Konzentrationen bis zu 25% als sicher bewertet, warnt vor dem Inhalieren von Titandioxid.8 Das Lehrbuch der Toxikologie weist darauf hin, dass “Ruß- und andere Partikel, wie Titandioxid, Zeolith, Talkum – nach Inhalation Lungentumoren … induzieren”.15 Die WHO Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) kommt zu dem Schluss, dass Titandioxid möglicherweise kanzerogen ist.11 “Möglicherweise”, da es nicht genügend Daten/Beweise für die Krebserzeugung in Menschen gibt, doch ausreichend für die Krebserzeugung in Tieren. Das Breast Cancer Fund empfiehlt Titandioxid in losen Pudern, in Sprays aber auch in festen Pudern zu vermeiden, da man es in diesen Formen leichter einatmen kann.5
Aufnahmeart: Mund
Titandioxid kommt auch in Lebensmittelbereich vor. Hier wird es als Farbstoff eingesetzt, z.B. bei Kaugummis, in Überzügen und in Dragees.12 Es gilt als unverdaulich. Wir haben auch keine Hinweise gefunden, die darauf hinweisen würden, dass Titandioxid bei Aufnahme über den Mund gesundheitlich schädlich wäre. Es wurde auch kein ADI-Wert (Acceptable Daily Intake | Akzeptabler täglicher Einnahmewert) fesgelegt und gilt deswegen auch als unbedenklich.13 Hier kommt aber die Nanotechnologie-Frage wieder ins Spiel. Der BUND ist nämlich der Meinung, dass Nanomaterialien, die gegessen werden, über den Magen-Darm-Trakt in den Blutkreislauf gelangen können.9 Was für Konsequenzen Titandioxid in Nanoform auf unsere Organe und Gesundheit hat, wenn es z.B. in unsere Blutbahn kommt, konnten wir nicht herausfinden. Was wir aber gefunden haben, ist eine Studie, die zur Zeit statt findet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung führt eine Studie (SolNanoTox) zur Toxizität von Nanomaterial Titandioxid in Leber und Darm durch.14 Diese Studie läuft bis 2017.
Mein Fazit
So. Nachdem ich mich nun durch recht viele wissenschaftliche Studien durchgearbeitet habe, komme ich zu folgendem Schluss. Titandioxid ist anscheinend in Sonnencremes kein Problem, besonders wenn man sich die chemischen Alternativen anschaut. Als Nanomaterial würde ich es in jeglicher Form vermeiden. Lose Pulver würde ich auch vermeiden, da diese zu einfach zum Einatmen sind. Bei festeren Pudern wie Lidschatten wäre ich zwar vorsichtig, aber ich würde jetzt auch nicht komplett darauf verzichten. Das australische Ministerium für Gesundheit spricht bei der Inhalationswarnung auch von sehr großen Dosen (also solchen, die man abbekommt, wenn man damit beruflich umgehen muss).6 Aber wie man damit umgeht, muss jeder für sich entscheiden. Was denkst du?
2 Öko Test: Kosmetik Liste Nr. J 1005. S. 322
3 Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e.V.: Dialog Kosmetik 2.Stakeholder Workshop
4 Knierimen, H. Kosmetik-Inhaltsstoffe von A bis Z: Der kritische Ratgeber. AT Verlag 2005. S. 217
6 Australian Government: Department of Health
7 Schilling, K., Bradford, B., et al. Human safety review of “nano” titanium dioxide and zinc oxide. Photochemical & Photobiological Sciences, 2010, 495-509.
8 SCSS Opinion on Titanium Dioxide (nano)
9 BUND Nanotechnologie Aufnahmewege
10 EU Kosmetikverordnung Artikel 19
12 Verbraucherinitiative Datenbank Zusatzstoffe
15 Marquardt; Schäfer (Hrsg). Lehrbuch der Toxikologie. 2004. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart. S. 175
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