Ist „Kosmetik für den Mann“ eine Erfindung bemühter Marketingabteilungen oder braucht Männerhaut tatsächlich spezielle Pflege, weil es Unterschiede zur Frauenhaut gibt? Zumindest gelten passgenau auf Abenteurer und Eroberer zugeschnittene Pflegeprodukte als das Wachstumssegment der Kosmetikbranche. Wen wundert´s also, dass sich inzwischen rund ein Fünftel des Kosmetikangebots in Drogerien speziell an die Herrenwelt richtet? Farblich angepasst natürlich – in schwarz, blau, anthrazit und grün. Mit Slogans, die mehr nach Energy-Drink als nach Körperpflege klingen: „Der Frische-Kick“ oder „mit Koffein & Taurin“.
Wir haben uns gefragt, ob es jenseits des Marketing-Säbelrasselns tatsächlich sinnvoll ist, zwischen Männer- und Frauenkosmetik zu unterscheiden. Dazu haben wir die Haut beider Geschlechter genauer unter die Lupe genommen, um die Frage nach geschlechtsspezifischen Unterschieden und Pflegeansprüchen möglichst objektiv zu beantworten.
Grundlage ist eine klinische Studie1, die an der Universität Hamburg durchgeführt und 2013 vom Journal of Cosmetic Science veröffentlicht wurde. Das Besondere daran: Nach Angabe der Autoren handelt es sich um die erste systematische Untersuchung, die sich mit den physiologischen Unterschieden zwischen Männer- und Frauenhaut beschäftigt und dabei den Schwerpunkt auf altersbedingte Hautveränderungen legt. Damit beanspruchen die Autoren erstmals Klarheit in eine bis dahin inkonsistente Datenlage zu bringen. Ehlers et.al.2 kamen beispielsweise zu dem Schluss, dass der ph-Wert bei Frauen niedriger ist als bei Männern. Man et.al.3 hingegen fanden genau das Gegenteil heraus. Ebenso uneinheitlich sind Ergebnisse in Bezug auf die Hautfeuchtigkeit, den transepidermalen Wasserverlust und die Sebum-Produktion – einige Studien stellten geschlechtsspezifische Unterschiede fest, andere konnten keine entdecken.
Kaum zu glauben, dass sich die Forschung also erst vor drei Jahren systematisch mit der geschlechterspezifischen Hautalterung beschäftigt hat, oder? Seit Jahren stehen die Regale voll mit angeblich maßgeschneiderten Produkten für Männlein und Weiblein, doch kein Mensch kennt die spezifischen Eigenheiten von Männer- und Frauenhaut???!!!!
Um also endlich herauszufinden, ob – und wenn ja wie – die Zeit männliche und weibliche Haut unterschiedlich verändert, wurden 300 Testpersonen (zwischen 20 und 75 Jahren) nach alters- und geschlechtsspezifischen Gruppen eingeteilt und mit objektiven Testmethoden untersucht.
Dies wurde begutachtet:
- Messung des Transepidermalen Wasserverlusts (TEWL durch Evaporimetrie), erlaubt eine objektive Beurteilung über den Zustand der Hautbarriere.4
- Messung der Hautfeuchtigkeit mit Corneometer – gängigstes Verfahren zur Bestimmung des Wasseranteils in der obersten Hautschicht (Stratum-corneum-Hydratation), die dafür verantwortlich ist, ob das Erscheinungsbild der Haut eher gleichmäßig, weich und elastisch ist oder rau, rissig und schuppig.5
- Messung der Talgmenge an der Hautoberfläche (Sebumetrie): Gängigstes Verfahren zur Bestimmung der Anzahl und Aktivität der Talgdrüsen im untersuchten Areal.6
- Messung des pH-Werts der Haut (der pH-Wert ist ein essentieller Schutzmechanismus der Haut, da er an der Hautoberfläche Einfluss auf den Verhornungsprozess der Epidermis hat und deren Mikroflora reguliert).7
Messareale:
Die Messungen wurden in folgenden Bereichen durchgeführt, die üblicher Weise auch für Wirksamkeits- und Verträglichkeitstests herangezogen werden:
- Stirn
- Wange
- Hals
- Unterarm
- Handrücken
Unterschiede: Frauen- und Männerhaut
Transepidermaler Wasserverlust:
Leider nicht gerade vorteilhaft für uns Frauen war das Ergebnis zur Messung des transepidermalen Wasserverlusts: Im Vergleich zu den Männern verlieren Frauen signifikant mehr Feuchtigkeit über die Haut. Dies gilt insbesondere für das Gesicht und den Hals, also genau jene Areale, die wir eigentlich gern schön glatt und geschmeidig hätten.
Mit zunehmendem Alter nähern sich die Werte jedoch an, da der transepidermale Wasserverlust bei Männern ab dem 50. Lebensjahr sichtlich ansteigt. Dies äußert sich dann in Form eines markanten Clint-Eastwood-Gesichts, denn besonders betroffen sind die Stirn und die Wangen.
Für beide Geschlechter gilt: Am höchsten ist der TEWL an der Hand und am niedrigsten im Bereich des Unterarms.
Feuchtigkeitsgehalt der obersten Hautschicht:
Auch im Hinblick auf den Feuchtigkeitsgehalt der äußersten Hautschicht, dem Stratum Corneum, ziehen die Mädels wieder den Kürzeren :( . Denn bis zu einem Alter von 30 Jahren ist die Hautfeuchtigkeit bei Männern signifikant höher als bei gleichaltrigen Frauen. Mit etwa 40 Jahren gleichen sich die Werte jedoch an. Und während die Hautfeuchtigkeit bei Frauen auf demselben Niveau bleibt oder sogar zunimmt, werden Männergesichter mit dem Alter immer trockener und damit faltiger – Leonard Nimoy lässt grüßen!
Für beide Geschlechter gilt: Am niedrigsten ist der Stratum-corneum-Feuchtigkeitsgehalt an den Händen.
Bei Frauen sind die Wangen das Areal mit dem höchsten Feuchtigkeitsgehalt, während Männer sich über besonders viel Hautfeuchtigkeit im Halsbereich freuen dürfen.
Talgdrüsen-Aktivität:
Was die Talgdrüsen-Aktivität (Sebum-Produktion) anbelangt, können endlich wir Frauen auftrumpfen! Denn Männer produzieren deutlich mehr Lipide – teilweise sogar doppelt so viel wie Frauen derselben Altersklasse. Problematisch wird dieser Überschuss immer dann, wenn die Talgdrüsen mehr Sebum produzieren als Speicherkapazität vorhanden ist. Denn dadurch kommt es zu fettig glänzender Haut, häufig verbunden mit vergrößerten Poren und verstopften Follikelausgängen.
Während die Sebum-Exkretion bei Männern im Laufe ihres Lebens immer gleich bleibt und im Bereich der Stirn sogar leicht zunimmt, wird Frauenhaut ab etwa 40 Jahren zunehmend „fettarm“. Der Rückgang der Sebumproduktion steht im Zusammenhang mit einem sinkenden Östrogenspiegel und führt leider häufig zu trockener, stumpfer Haut.
pH-Wert:
Auch beim pH-Wert stellte die Hamburger Studie deutlichen Unterschiede fest: Der pH-Wert der Männer lag in allen Altersklassen und Messbereichen unter 5. Bei den Frauen wurde dagegen an fast allen Stellen (außer an der Stirn) ein pH-Wert von über 5 gemessen. Dieser signifikante Unterschied liegt vermutlich an der stärkeren Fett- und Schweißproduktion der Männer. Denn die dabei entstehende Fettsäure und Milchsäure beeinflussen den pH-Wert der Haut in Richtung saures Millieu.
Mit zunehmendem Alter bewegen sich die pH-Werte beider Geschlechter aufeinander zu, da die Werte bei den Männern leicht anstiegen und Frauen mit zunehmendem Alter etwas „säuerlicher“ wurden.
Ist geschlechtsspezifische Kosmetik also sinnvoll?
Tatsächlich lassen sich überraschend deutliche Unterschiede zwischen Männer- und Frauenhaut feststellen: Während Männer in der Regel ein Überschuss an Lipiden und mit zunehmendem Alter der Rückgang der Hautfeuchtigkeit zu schaffen macht, ist es bei Frauen genau umgekehrt. Die weibliche Haut könnte mit den Jahren durchaus etwas mehr Fett vertragen, hält dafür aber ihr Feuchtigkeitslevel konstant oder verbessert es sogar.
Der rechnerisch ermittelte Durchschnittsmann sollte also tatsächlich lieber die Hände von den meist etwas reichhaltigeren Frauenprodukten lassen. Allerdings sind auch unter Männern die Hautunterschiede so groß, dass es wichtiger ist, auf den Hauttyp zu achten. Männer mit öliger Haut könnten also problemlos das fettarme Feuchtigkeitsfluid der Partnerin mitverwenden. Auch Phytohormone in Anti-Aging-Produkten sind kein Problem, denn diese werden in so niedrigen Konzentrationen eingesetzt, dass Männer keine negativen Auswirkungen befürchten müssen.8
Grundsätzlich gilt also: wenn der Hauttyp passt, können Männer problemlos Frauenkosmetik verwenden und natürlich auch umgekehrt.
Doch Kosmetik hat eben auch sehr viel mit Wohlfühlen zu tun. Unter diesem Aspekt macht spezielle Männerkosmetik wiederum Sinn, denn wer morgens im Bad schon das Abenteuer sucht, braucht natürlich den Feuchtigkeits-Turbo und keinen Papaya-Duft.
- Skin physiology in men and women: in vivo evaluation of 300 people including TEWL, SC hydration, sebum content and skin surface pH. M. Kerscher et. al. International Journal of Cosmetic Science,2013,35, 477–483 .
- Females have lower skin surface pH than men. A study on the surface of gender, forearm site variation, right/left difference and time of the day on the skin surface pH. C. Ehlers, U.I. Ivens, M.L. Møller, T. Senderovitz, J. Serup. Skin Res. Technol., 2001
- Variation of skin surface pH, sebum content and stratum corneum hydration with age and gender in a large Chinese population. M.Q. Man, S.J. Xin, S.P. Song. Skin Pharmacol. Physiol., 2009
- Uni Hamburg Evaporimetrie
- Uni Hamburg Corneometrie
- Uni Hamburg Sebumetrie
- Uni Hamburg pH-Metrie
- Schrot & Korn: Männerkosmetik
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